THEATERTEXTE
MODERN MERMATES, in der Inszenierung von Merle Zurawski am Theater Baden-Baden | Foto: Jochen Klenk
Ein Stück zärtlichen Ungehorsams.
Krefeld in den 1930er Jahren: Schon seit ihrer Kindheit sind Kaspar und Wilhelm beste
Freunde. Mittlerweile sind die Jugendlichen in Ausbildung und auch im Lehrlingsheim
unzertrennlich – der strikte Alltag unter dem strengen Regiment des Aufsehers Fischer ist zu zweit wesentlich leichter zu ertragen. Dennoch hadert Kaspar mit der Situation im
Lehrlingsheim, das ihm mehr und mehr wie ein Käfig vorkommt. Als ihm eines Abends Franz begegnet, steht plötzlich alles Kopf: Kaspar muss sich eingestehen, dass er mehr für den geheimnisvollen Franz empfindet als bloße Freundschaft. Doch diese verbotenen Gefühle bedeuten Gefahr: nicht nur für die Freundschaft mit Wilhelm, sondern auch für sein Leben.
Nach der erfolgreichen Rosa-Winkel-Trilogie über die Verfolgung queerer Menschen in Düsseldorf vor, während und nach der NS-Zeit (deren letzter Teil „Vor dem Rosa Winkel“ im Frühjahr 2026 im Theatermuseum Düsseldorf zu sehen sein wird), führt das Theaterkollektiv Düsseldrama seine künstlerische Auseinandersetzung mit queerer NS-Geschichte nun in Krefeld fort – in Kooperation mit der Villa Merländer e. V. Autorin Simone Saftig hat mit „Kein Wort von uns“ ein berührendes Theaterstück verfasst, das von Regisseur Marvin Wittiber mit großer Sensibilität auf die Bühne gebracht wird.
UA: 11.10.2025, Südbahnhof Krefeld | Regie: Marvin Wittiber
Kein Wort von uns
© Markus Feger | Duesseldrama
herzkopfüber
Zizi hat eine Murmelmama, also eine Mama ohne Haare. Das ist wegen der Medikamente, die ihre Glühbirnenmama nehmen muss, um gesund zu werden. Zizi hat hingegen viele Haare, die ihre Mondmama gerne kämmt oder ihre Freundin Mimi wild frisiert. Mimis Haare darf außer Zizi aber niemand anfassen, weil die eine geladene Gewitterwolke sind, jederzeit bereit, sich zu entladen. Wie die Haare von Mamas Ärztin aussehen, weiß Zizi nicht, weil Dr. Bıkmaz Kopftücher trägt, eines schöner als das andere. Apropos schön: Zizi trägt am liebsten Zöpfe, viele Zöpfe, denn jedes Haargummi auf ihrem Kopf steht für einen Wunsch. Und Zizi wünscht sich nichts sehnlicher, als dass ihre Diskokugelmama einfach wieder nur ihre Mama wird.
„Trotz der Schwere der Thematik bleibt das Stück immer hoffnungsvoll, nach vorne gerichtet und kreiert Bilder, die eine vielfältige Umsetzung möglich machen. Dabei zeigt die Autorin auch ihr starkes Bewusstsein für diskriminierungskritisches Schreiben.“
Jurybegründung Nah dran!
UA: 11.10.2025, Stadttheater Gießen | Regie: Tamira Kalmbach
© Nils Heck
MODERN MERMATES
»Leckt mir die Schwanzflosse, ihr Fischfresser!« Den Mermates Amphinome und Thetis – ja, Mates wie Buddys! – reicht's. Gemeinsam mit Delfin Dirk sammeln sie Beweise gegen einen Hotelbesitzer, der mit seiner Tourist:innen-Hochburg skrupellos die Ostsee verschmutzt. Doch es kommt, wie es kommen muss: Die drei verlieren ihre Klage, die Menschen machen weiter wie bisher und die Meeresbewohner sind am Arsch! Da hilft nur noch mythisch aufgeladener Klima-Aktivismus: Sirenengleich wollen sie ein Kreuzfahrtschiff versenken und Tausende in den Tod reißen. Eat this, Füßler! Doch auch dieser Plan misslingt. Vielleicht können sie mit Hilfe der längst vergessenen Meeresgöttin, Sephna, die Menschen endlich zur Vernunft zu bringen? Probably not.
»Modern Mermates« wurde mit dem Textflimmern-Preis für Nachwuchsdramatiker*innen des Theater Kiel ausgezeichnet.
UA: 26.01.2025, Theater Kiel | Regie: Johannes Ender
© Olaf Struck
brüh im lichte dieses glückes
Man kennt sie aus den deutschen Charts, als Jurymitglied, Sängerin und Realitysternchen. Ihr Durchbruch gelang ihr 2005 mit der Neuinterpretation der Deutschen Nationalhymne in der Münchner Allianz-Arena. Aber eigentlich ist Sarah Connorvor allem eins: Mega-Mutter auf der Suche nach ihrer Muttersprache (gleichnamiges Album). Und das sind auch Kleo, Vera, Nele und Cornelia, deren Kinder in dieselbe Bildungseinrichtung gehen und die sich deshalb zwangsläufig gemeinsam ihrem Schicksal stellen müssen: Basteln, Waffelbacken und Völkerballturniere gehören genauso zu ihrem Alltag wie der Kampf um die richtige Erziehung. Während sie um das korrekte Verhalten im Umgang mit neunarmigen Oktopoden und Eichhörnchenopferungen ringen, verhärten sich allmählich die Fronten: Was kann man den eigenen Kindern eigentlich noch mitgeben, wenn das Land, in dem sie leben, allmählich vor die Hunde geht? Vielleicht haben Sarah Connors Töchter die passenden Antworten in ihrem Impulsreferat über ihr Homecountry parat? Und Sarah selbst möchte zum 20. Jubiläum ihres Nationalhymnen-Fails gerne auch noch etwas Grundlegendes klarstellen ...
»brüh im lichte dieses glückes« ist ein theatraler Ritt durch den Debattendschungel Deutschlands, bei dem alle alles richtig machen wollen und dabei zwangsläufig scheitern müssen. Oder?
UA: 14.09.2024, Theaterfabrik Düsseldorf | Produktion: artig.schocken
© Christoph Wolff
Talent Pool
»Wer sich zum Wurm macht, soll sich nicht beklagen, wenn er getreten wird.« (Immanuel Kant)
Was sind Ihre Schwächen? Was bedeutet harte Arbeit für Sie? Wie viele Smarties passen in einen Smart? Zwei Männer treffen sich im Wartesaal vor ihrem Bewerbungsgespräch für denselben Job. Welch unangenehme Gelegenheit, mal die Konkurrenz abzuklopfen und sich darauf vorzubereiten, einen guten Eindruck zu machen. Man selbst zu sein. Authentisch. Gibt ja eigentlich nichts Einfacheres, zumindest, wenn man lügen kann. Schnell stellt sich die Frage, wer von den beiden wohl der Bessere ist – und dabei geht es längst nicht mehr um den Job. Sag mir, wie du über mich sprichst, und ich sag dir, wer du bist. Ein Kammerspiel über Selbstinszenierung, -zucht, und -zweck.
Gefördert durch das Sonderprogramm »Neue Stücke – neue Verbindungen« der Burg Hülshoff – Centre for Literature
UA: 23.09.2023, Theaterfabrik Düsseldorf | Regie: Lars Evers
© Christoph Wolff